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Bände, [RG. Renner (Hg.), Herder Verlag, Freiburg i.B. (1992)] gestrichen worden sind. Diese
Tatsache widerlegt die Meinung Wolf Schäfers, der noch 1989 (Schäfer 1994, S. 53) meint, dass die
Zeit gekommen sei, in welcher Marx und Engels als berühmte deutsche Schriftsteller zitiert werden
könnten. Noch im Jahre 1977 nehmen diese Denker in dem Panorama europäischen Geistes - Texte
aus drei Jahrtausenden (Ludwig Marcuse, Hg.) ihren Platz ein.
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6.- Fundamentalismus, Aufklärung, Psychoanalyse
drückt: Die Frage bleibt offen, ob Aufklärung und Militanz sich gegenseitig ausschlie-
ßende Begriffe sind.
In der Pionierzeit der psychoanalytischen Bewegung ist es allein Wilhelm Reich,
der -in aller Öffentlichkeit- versucht, Militanz und Psychoanalyse zu vereinen. Es ist be-
kannt, dass er einen hohen Preis dafür bezahlte. Ob gerechtfertigter- oder ungerechtfer-
tigterweise, darauf kann ich hier in diesem Rahmen nicht eingehen. Doch möchte ich
folgendes nicht unerwähnt lassen: Wilhelm Reich wird gleichsam Militant, sowohl der
"Sexuellen Revolution" als auch der "Kommunistischen Partei", was Freud beides of-
fensichtlich nicht gutheißt. Trotz seiner scharfen revolutionären Kulturkritik und trotz
seiner theoretischen Befürwortung einer viel freieren Sexualität, übt Freud keine Mili-
tanz, außer des sanften, revolutionären Erforschens des Unbewussten. Heute wissen wir
ja, dass er auf den Ausschluss des Militanten Wilhelm Reich -und erstaunlicherweise
auch von Otto Fenichel- aus den psychoanalytischen Institutionen hingearbeitet hat47.
Offensichtlich ist Freud gegen jede Militanz, die sein neues Geschöpf -die Psychoanaly-
se- bedrohen könnte. Dieser historische Tatbestand führt leider langfristig zu einer Fehl-
auffassung der Psychoanalyse durch ihre Epigonen, welche die Psychoanalyse von poli-
tischen und sozialen Angelegenheiten zu trennen trachten. So haben wir es mit einem
"antisoziologischen Psychologismus" (Dahmer 1997) zu tun. Eine hervorragende Aus-
nahme ist hierbei Otto Fenichel, wovon wir Dank seiner Rundbriefe (Reich-
mayr/Mühlleitner, 1998) Kenntnis nehmen können. In dieser Richtung seien hier u.a.
auch Igor Caruso (der alte, nicht der junge), Helmut Dahmer, Kurt Eissler, Mario Erd-
heim, Erich Fromm, Alfred Lorenzer, Alexander Mitscherlich, Paul Parin und Goldy Pa-
rin-Matthey der alten Garde alphabetisch geordnet erwähnt.
Wenden wir uns im Weiteren der keimenden Militanz desjenigen zu, der zunächst
einfach seine Meinung äußert, sie danach fest vertritt, oder es gegebenenfalls als Pflicht
ansieht, Zeugnis davon abzulegen. Als dritter Schritt folgt der Wille, seine Überzeugung
starrhalsig durchzusetzen und als vierter, andere Meinungen -im Extremfall mit Gewalt-
47
Nach einem unveröffentlichten Brief Freuds an Jeannine Lample de Groot von 17.1.1932
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6.- Fundamentalismus, Aufklärung, Psychoanalyse
zu bekämpfen (s. Fußnote 5). Bis hierher sprechen wir über den Ausdruck, nicht aber
über den Inhalt der Überzeugungen. Dieser Inhalt bleibt immer zweifelsbeladen, oder
wie man so schön auf Deutsch sagt, fragwürdig. Standhafter als der Inhalt von Überzeu-
gungen ist die Tatsache, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, die Rechte des Anders-
denkenden zu übersehen, überhaupt mit Gewalt überrollen zu wollen oder diejenigen,
die andere Meinungen vertreten, schlichtweg tatkräftig auszurotten, wegzuschaffen und
verschwindenzulassen. Übrigens scheint es mir -à propos Überzeugungen- hier nicht
unangebracht, darauf hinzuweisen, dass "nichts überzeugender [wirkt] als eine Lebens-
geschichte" (Negt 1994a, S. 11). In diesem Sinne hinkt unsere Lebensführung immer
hinter unseren Überzeugungen her. Den Anderen bekehren zu wollen, hat vielleicht den
inneren Zweck, die mangelnde Beweiskraft unserer Lebensgeschichte unbewusst mit
Worten zu kompensieren, denn Verkündigungen durch die Tat wirken immer stärker als
Verkündigungen durch das Wort.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal unterstreichen, dass in Bezug auf Mili-
tanz verschiedene Gradierungen vorkommen. Eine selbstgerechte Militanz respektiert
nicht die Rechte derjenigen, die sich aus unterschiedlichem Denken heraus einer ande-
ren Militanz verpflichtet fühlen. Mir scheint, dass das Grundproblem dort anfängt, wo
irgendeine Wahrheit als absolut betrachtet wird und aus dieser Absolutheit heraus das
Recht hergeleitet wird, sie anderen aufzuzwingen: Das wäre das Kernstück einer funda-
mentalischen Einstellung. Freud zeigt sich insofern antifundamentalistisch gesinnt, als
er die Möglichkeit verneint, "die Wahrheit" als unbestreitbare Wahrheit zu ergründen,
sozusagen "die Wahrheit" zu finden. Dazu nur folgendes Zitat: "dass es im Unbewussten
ein Realitätszeichen nicht gibt, so dass man die Wahrheit und die mit Affekt besetzte
Fiktion nicht unterscheiden kann" (Freud 1950a [1887-1902] S. 187). Anders ausge-
drückt: Eine der menschlichen Tragödien besteht u.a. darin, dass der Mensch hochelabo-
rierte theoretische Überzeugungen von hochelaborierten Rationalisierungen, Halluzina-
tionen einbegriffen, nicht zu unterscheiden vermag. Nach Freuds Worten dreht sich das
Problem um die Frage: "...ob in der Theorie mehr Wahn enthalten ist, als ich möchte,
oder in dem Wahn mehr Wahrheit, als andere heute glaublich finden" (Freud 1911c
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