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sich zu trösten.
Dann hörte Jacob ein anderes Geräusch von der anderen
Seite der Wand, ein Geräusch, dass er nicht einordnen konnte,
etwas & wie ein schnüffelnder Hund.
Warum sollte Kyle einen Hund herbringen?
Der Eigentümer des Zeitschriftenladens war gern bereit zu
kooperieren. Er sehnte sich geradezu danach zu kooperieren.
Er gierte danach.
Der Laden war klein. Das Gleiche galt für den koreanischen
Mann hinter dem Tresen, der zwar wusste, dass er schwitzte,
aber nicht wagte, sich die Stirn und den Nacken abzuwischen,
weil er fürchtete, der Polizist mit der entschlossenen Miene
könnte glauben, er hätte etwas angestellt. In Nordkorea hatte
Sak Pyon in den Achtzigern den größten Teil seiner Familie
verloren. Seine Mutter, sein Bruder, sein ältester Sohn, sie alle
hatten das Verbrechen begangen, keine ausreichende Begeiste-
rung für den Kommunismus aufzubringen, zumindest in den
Augen der fünf Männer in braunen Uniformen, die an einem
Tag, der beinahe so heiß gewesen war wie dieser, kurz vor
Sonnenaufgang zu seinem Haus gekommen waren.
Die fünf Männer, die ihrem Alter nach kaum Männer wa-
ren, hatten Pyon, seine Frau und seine Tochter leben lassen,
weil sie sich um das Reisfeld kümmern sollten. Aber Pyon und
die kläglichen Reste seiner Familie hatten gewusst, dass sie
wiederkommen und bestimmt auch sie ermorden würden.
Pyon, seine Frau und seine Tochter waren über morastige
Felder mit kümmerlicher Reisernte und durch Wälder voller
toter Bäume gezogen, sie hatten Dörfer gemieden, immer in
der Erwartung, jeden Moment von hinten erschossen zu wer-
den. Sechs Wochen lang waren sie nur bei Nacht gewandert,
bis sie den achtunddreißigsten Breitengrad erreicht hatten. Sie
waren an den nordkoreanischen Wachleuten vorbeigekrochen
und wären beinahe von südkoreanischen Soldaten erschossen
worden, als sie die Grenze überquerten.
Vier Jahre lang hatte er die amerikanischen Botschaftsange-
hörigen bearbeitet, bis man ihm endlich politisches Asyl in den
Vereinigten Staaten gewährte.
»Videoband«, riss Flack Pyon aus seinen Gedanken und deu-
tete auf die Kamera, die auf die beiden Männer ausgerichtet war.
»Wird nicht gehen«, sagte Pyon. »Da ist nur eine Batterie
drin, damit die grüne Lampe leuchtet. Die echten sind zu teuer,
und ich brauche sie nicht.«
Er hatte nur einen geringfügigen Akzent.
»Und wenn Sie überfallen werden oder jemand auf Sie
schießt?«
»Dann wird es mir schwerer fallen, für meine Familie zu
sorgen«, sagte Pyon. »Und wenn jemand auf mich schießt, bin
ich versichert, wenn ich nicht getötet werde.«
Pyon warf einen Blick auf seine Uhr. Dies war einer seiner
beiden Golftage. Seine Frau würde bald hier sein, um ihn
abzulösen, sodass er den Zug nach Queens nehmen und zum
Golfplatz gehen könnte, wo er seine Schläger in einem ge-
mieteten Spind aufbewahrte. Golf war seine Art der Meditati-
on. Mit Golf übte er seine Fähigkeiten und seine Präzision. Es
ging darum, sich selbst in dem Schlag zu verlieren und am
Ende größte Befriedigung zu empfinden, wenn man einen
oder zwei Schläge weniger gebraucht hatte als beim letzten
Mal.
»Und wie wollen Sie dann die Diebe fangen?«, fragte Flack
resignierend.
»Die werden meine Ware und mein Geld doch nicht mehr
haben«, erwiderte Pyon und hoffte, dass der Schweiß nicht so
über sein Gesicht lief, wie er es sich vorstellte.
»Sollten die Diebe nicht dafür bezahlen, wenn sie auf Sie
schießen?«
»Das bringt mir und meiner Familie nichts Gutes. Und ich
bin versichert. Gedanken an Vergeltung habe ich begraben, als
ich noch in Korea war.«
»Okay«, sagte Flack seufzend. »Haben Sie den Mann er-
kannt?«
»Ich habe ihn nie zuvor gesehen«, antwortete Pyon.
Flack wusste nicht so recht, ob er ihm glauben sollte. Er
hatte schon früher mit asiatischen Flüchtlingen zu tun gehabt.
Sie waren gute Lügner. Denn das Lügen hatte man sie an so
höllischen Orten wie Nordkorea oder Laos gelehrt.
»Also können Sie ihn nicht identifizieren?«, fragte Flack.
»Ja.«
»Ja, Sie können, oder ja, Sie können nicht?«, hakte Flack
nach, während er seine letzten Geduldsreserven anzapfte.
Flack hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden nicht
viel Schlaf bekommen. Um genauer zu sein, hatte er schät-
zungsweise zwei Stunden und achtundvierzig Minuten ge-
schlafen.
»Ja, ich kann«, sagte Pyon, der sich nicht länger beherr-
schen konnte.
Er zog ein großes verknittertes Taschentuch aus seiner Ta-
sche und wischte sich Gesicht und Hals ab. Flack zog sein ei-
genes, inzwischen längst feuchtes Taschentuch hervor und tat
es ihm gleich.
»Draußen sind es beinahe vierzig Grad«, sagte Flack und
steckte das Taschentuch weg.
Pyon nickte.
»Wenn Sie wollen«, sagte Pyon, »kann ich ein Bild von
dem Mann zeichnen. Ich habe Kunstunterricht genommen.«
Flack lächelte und sagte: »Ich würde mich freuen, wenn Sie
mir ein Bild von dem Mann malen würden.«
»Sofort?«, fragte Pyon.
Pyon gab sich größte Mühe, sich kooperativ zu verhalten
oder wenigstens so zu erscheinen.
»Sofort wäre perfekt«, antwortete Flack. »Wie wäre es,
wenn Sie den Laden eine Weile zumachten? Ich lade Sie ir-
gendwo zu einem Sandwich und einem Kaffee ein, wo es eine
Klimaanlage gibt.«
»Rührei und Dr. Pepper«, sagte Pyon. »Ginsberg s ist
gleich um die Ecke.«
Aiden hatte Recht gehabt.
»Ja«, sagte Jane Parsons und beäugte das Paket, das Aiden
ihr übergeben hatte. »Bäume haben eine DNS. Das hat sich ein
paar Mal für die forensische Beweissicherung als nützlich er-
wiesen. Einen bahnbrechenden Fall hat ein Professor an der
Purdue University bearbeitet. Die Beweise wurden tatsächlich
vor Gericht zugelassen.«
Aiden lächelte.
»Denken Sie, das hier könnte von einem Möbelstück stam-
men?«, fragte Jane.
»Von einem Möbelstück aus Blutholz«, sagte Aiden.
»Ich überprüfe die DNS. Der Gerbsäureanteil sollte bei bei-
den Proben exakt übereinstimmen, unabhängig von der Art des
Baumes, mit dem wir es zu tun haben. Das Gleiche gilt für
Arsen.«
»Arsen in Bäumen?«, fragte Aiden.
»Bevor es illegal wurde«, erzählte Jane, »wurde Arsen
großzügig auf Holz und Möbel versprüht, um das Holz zu
schützen. Auch der Magnesiumanteil in beiden Proben müsste
übereinstimmen. Aber es wird Zeit brauchen, das zu untersu-
chen.«
»Wie viel Zeit?«, fragte Aiden.
»Das ist eine sehr kleine Probe. Drei Tage, vielleicht auch
nur zwei«, antwortete Jane. »Und ich werde sobald wie mög-
lich eine Probe von dem Gegenstand brauchen, mit dem ich
diese hier vergleichen soll.«
»Die besorge ich. Aber Sie werden sehr schnell arbeiten
müssen. In drei Tagen könnte er schon wieder zugeschlagen
haben.«
»Ich brauche Macs Einverständnis, um diese Sache vorran-
gig zu behandeln«, wandte Jane ein.
»Die besorge ich«, sagte Aiden.
Sie rief Mac an. Es war bereits dunkel, aber sie war über-
zeugt, das würde ihn nicht stören. Und das tat es auch nicht. Er
erteilte ihr die Erlaubnis, die Untersuchung vorrangig durch-
führen zu lassen, und sie gab das Telefon an Jane weiter. »Ja?«
Das war alles, was Jane sagte. Der Anruf dauerte nicht mehr
als ein paar Sekunden.
»Irgendwas hat mit der Verbindung nicht gestimmt«, mein-
te Jane seufzend, als Aiden ihr Telefon einsteckte.
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